Desktop

Überforderung durch zu viele Apps im Digital Workplace: meine Sichtweise – Teil 2

Beitrag teilen:

Ist der digitale Arbeitsplatz die Lösung für ein besseres und effizienteres Arbeiten? Auf den ersten Blick scheint das so zu sein. Seit ich mich mit dem Thema Zusammenarbeit und Informationsbereitstellung auf Basis digitaler Plattformen beschäftige, standen einige wenige Problemstellungen bis heute immer wieder im Fokus. Eine davon ist die unüberschaubare Vielfalt und Unübersichtlichkeit an Anwendungen, Tools, Informationen und Informationskanälen, die im Arbeitsalltag eines Mitarbeiters über ihn hereinbrechen. Immer wieder hörte man von Mitarbeitern: „Bitte nicht noch ein weiteres Tool!“ oder „Bitte nicht noch mehr Informationen“. Und wenn der typische sogenannte Informationworker schon mit dieser Tool- und Informationsvielfalt unausweichlich konfrontiert war, dann erwartete er zumindest eine nachvollziehbare Struktur und eine gute Übersichtlichkeit.

„Information at your fingertips“, das war das vielzitierte Wunschbild aus den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Bis heute hat sich das im Grunde genommen nicht wirklich geändert: „Ich möchte schnell und direkt das finden, was ich brauche“ oder „Ich benötige eine einfache Suche, die die für mich relevanten Ergebnisse sofort liefert“.

Das aktuelle Buzzword „Digital Workplace“ meint eigentlich nichts anderes, wie ein Bundle an Tools, das klar strukturiert und aufgeräumt ist wie ein Armaturenbrett. Dazu soll der moderne Arbeitsplatz zugleich so intelligent sein, dass er dem Mitarbeiter genau das präsentiert, was er in der jeweiligen Situation gerade braucht. Auch wenn die künstliche Intelligenz aktuell enorme Fortschritte macht, so ist man von diesem Idealbild aber doch noch sehr weit entfernt.

Solange es diesen, durch künstliche Intelligenz unterstützten, selbst organisierenden digital Workplace nicht gibt, stellt sich die Frage, wie denn heute ein sinnvoll gestalteter Arbeitsplatz aussehen könnte. Um diese Frage zu klären, ist es hilfreich, sich zunächst zu vergegenwärtigen, was denn das eigentliche Problem ist. Ist es wirklich nur die Vielfalt und Vielzahl an Tools und die erdrückend große Menge an Informationen?

Dass das nicht das eigentliche Problem ist, zeigt unser privater Umgang mit dem Internet und den verschiedensten IT-Geräten, angefangen beim Smartphone über das Tablet bis hin zum PC. Wenn man sich die Oberflächen der Smartphones heutzutage anschaut, ist man immer wieder überrascht wie groß die Anzahl der installierten Apps ist. Die meisten sind über sich selbst erstaunt, wenn sie sich vor Augen halten, was sich im Lauf der Jahre so alles angesammelt hat. Natürlich verwendet man nicht alle Apps regelmäßig, manche sind vielleicht schon seit Jahren unbenutzte Leichen. Aber trotzdem ist es im Alltag selbstverständlich mit vielen Programmen umzugehen und quasi parallel zu nutzen. Und am Ende kommt doch jeder damit gut zurecht.

Warum also tut man sich im Arbeitsalltag so schwer damit?

Nun, zum einen hat man sich die Applikationen, mit denen man seinen Arbeitsalltag gestalten soll, nicht selbst ausgesucht. Man identifiziert sich nicht so richtig damit und kann auch schlechter einschätzen, was für einen relevant ist und was nicht, wie man etwas richtig bedient und wo man etwas findet. Eine mangelhafte Usability und nicht mehr zeitgemäße Bedienoberflächen der häufig in die Jahre gekommenen Firmensoftware tut hier ihr übriges.

Das entscheidende Manko liegt eigentlich darin, dass es eine Vielzahl von Tools in den Unternehmen gibt, die im Grunde genommen den gleichen oder einen ähnlichen Zweck haben. Mitunter gibt es zig Möglichkeiten, um am Ende ein und dasselbe zu tun oder dasselbe Ziel zu erreichen. So gibt es beispielsweise eine Vielzahl von softwarebasierten Lösungen, mit denen man mit Kollegen kommunizieren kann, genauso ein halbes Dutzend oder mehr Apps für das persönliche Aufgabenmanagement oder gleich mehrere Business Lösungen für die Organisation der Zusammenarbeit in einem Projektteam. Fachinformationen werden beispielsweise über das Intranet publiziert, aber auch per Mail versandt, in der zentralen Dokumentenablage gespeichert, in Teamräumen bereitgestellt, in Social Media Tools gepostet und und und … Unterschiedliche Kollegen, Kunden oder externe Partner nutzen jeweils unterschiedliche Tools und Informationskanäle für den gleichen Zweck. Verwendet ein Teil der Mitarbeiter Tool A für die Kommunikation, ein anderer Teil Tool B und ein weiterer Teil Tool C, dann kommunizieren sie nicht miteinander, sondern wahrscheinlich aneinander vorbei. Dazu kommen noch die heimlichen Lösungen aus dem Internet und Tools, die die Mitarbeiter inoffiziell an der IT vorbei einführen oder nutzen.
Das alles wäre am Ende vielleicht noch verkraftbar, wenn man den Mitarbeitern eine klare Botschaft mitgeben würde, welche der Tools sie wann und wie zu verwenden haben. Aber genau das passiert eben häufig nicht.

Das Grundproblem ist also nicht die Vielzahl der Werkzeuge und Informationen, sondern die fehlende sinnvolle Informationsarchitektur. Das heißt, es fehlt die transparente Zuordnung von Themen, Informationen und Inhalten auf der einen Seite, zu den dafür benötigten Werkzeugen und Nutzungsszenarien auf der anderen Seite.

Am Beispiel von firmenintern genutzten Social Media-Tools lässt sich das exemplarisch gut verdeutlichen. Immer wieder findet man in den Unternehmen die Situation vor, dass den Mitarbeitern mehrere solcher Tools (z.B. Yammer und Microsoft Teams) zur Verfügung gestellt werden, deren Funktionalität sich aber in großen Teilen ähneln. Für die Mitarbeiter ist das in der Regel sehr verwirrend: Was verwende ich jetzt wofür? Beide Werkzeuge erlauben ja den Austausch von Dokumenten oder den Meinungsaustausch innerhalb einer Gruppe über Postings, Kommentare, Likes etc. Nicht selten werden die Mitarbeiter – auch unter dem Vorwand „Wir wollen den Mitarbeitern mehr Freiraum geben“ – allein gelassen. Am Ende führt das dann dazu, dass die Mitarbeiter das machen, was sie schon immer gemacht haben – nämlich Dokumenten- und Informationsaustausch per E-Mail.

An dieser Stelle hilft dann auch der superintelligente, sich selbst organisierende digitale Arbeitsplatz nicht wirklich weiter. Anstatt also auf diesen zu warten, wäre es sinnvoll, erst mal transparente, logische und themenorientierte Navigations- bzw. Kommunikationsstrukturen vorzugeben. Eine klare Richtlinie, welche Werkzeuge zu welchem Zweck wie zu nutzen sind ist dabei genauso entscheidend, wie eine Unterstützung der Anwender in Form von Trainings, Support und aktiver Betreuung. Dabei sollte das Ziel sein, dass die Anwender die bereitgestellten Softwarewerkzeuge besser verstehen und zielgerichtet einsetzen.

Der Versuch einen digitalen Arbeitsplatz für den Nutzer bereitzustellen, mit dem Ziel alles Relevante an einer Stelle zu aggregieren, ist also nur eine oberflächliche Scheinlösung. Einen sinnvollen und hilfreichen digitalen Arbeitsplatz kann es nur dann geben, wenn die dahinterliegende unternehmensweite Kommunikations- und Informationsstruktur so wie die Softwarelandschaft transparent und nachvollziehbar ist. Mit einer Überfrachtung des Nutzers durch eine Vielzahl von Applikationen, die oberflächlich gesehen nur das Gleiche tun, ist ihm nicht geholfen.

Wie sehen Sie dieses Thema? Können Sie diese Eindrücke bestätigen oder widerlegen? Dann lassen Sie uns es wissen. Falls Sie es verpasst haben: Dr. Julian Bahrs hat im ersten Teil der Reihe bereits seine Meinung zu dem Thema geteilt.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert