Seit vielen Jahren bin ich in mit Anwendern von Digitalen Arbeitsplätzen und Intranets in Bedarfsanalysen, Interviews, Fokusgruppen und Konzeptionsworkshops im Dialog, um Pain Points und Optimierungspotenziale zu entdecken.
Dabei gibt es einen Klassiker, der immer wieder auftaucht: Viele Anwender sind von der Anzahl der Applikationen und Systeme, die sie für ihre tägliche Arbeit brauchen, überwältigt bis überfordert. Jede Anwendung bringt eine eigene Logik, Oberfläche und Interaktionskonzepte mit. Jedes Programm wird über unterschiedliche Wege aufgerufen – über das Startmenü des Desktop-Computers, über die Bookmarks des Browsers und gemeinerweise sind nur manche davon überhaupt mobil verfügbar.
Regelmäßig kommt dann ab mittlerer Unternehmensgröße auch noch ein Überraschungs-Effekt dazu: „Ach, da haben wir ein spezielles Tool – hab‘ ich gar nicht gewusst. Das würde mir schon helfen.“ Und natürlich die Bitte, bloß nicht noch ein Tool zum App-Jungle hinzuzufügen.
Ist jetzt die Antwort des Digital Workplace, dass alle diese Anwendungen vollständig integriert werden und im besten Fall die eine Arbeits-App entsteht mit der ein Anwender bei hoher Usability, geringer Bearbeitungszeit und mit maximaler Automatisierung seine kommunikations-, interaktions-, transaktionsorientierten, überwachenden Aufgaben ausführen kann? Und idealerweise auch gleich noch gepaart mit integrierten, auf den Moment zugeschnittenen Learning Nuggets?
Hm, als Vision auf der Anwendungsebene taugt das schon – auch wenn es bis zu dieser reinen Form noch eine sehr große Reise ist. Ich habe die vollständige Vision schon oft gesehen und gezeichnet – eine Umsetzung existiert jedoch bestenfalls in Teilbereichen.
Mit den momentan verfügbaren Softwarelösungen ist eine Universallösung am Markt nicht zu kaufen. Viele Unternehmen versuchen zwar den Wildwuchs durch eine Konzentration auf Plattformen wie z. B. SAP und Microsoft einzudämmen – aber genügen Inseln? Auch dann wenn die Informationsarchitektur überlegt und die Toolwelt von Redundanzen soweit möglich bereinigt ist.
Muss man monolithische Konzepte daher als Rohrkrepierer betrachten? Meines Erachtens ja, denn das würde zu viele Abhängigkeiten und somit lähmende Effekte haben. Aber eine Unternehmensplattform zur Integration von austauschbaren Services á la Enterprise OS mit unterschiedlichen Apps wäre ja schon mal ein großer Schritt.
Das Integrationskonzept an sich gibt es applikationsübergreifend schon lange. Lösungen wie iGoogle (inzwischen eingestellt) u.v.m. haben sich daran im Internet probiert. Für Unternehmen wurden solche Ansätze durch Portale mit „leichtgewichtigen“ Portlets getestet. Portlets sind eine reine Oberfläche – die eigentliche Logik ist über API oder Webservices losgelöst. Sie sind somit das Gesicht der serviceorientierten Architektur die viel versprochen hat – aber in den Unternehmen nur langsam einzieht.
Vergleichbares ließe sich in Unternehmen etablieren – allerdings nur mit erheblichem Aufwand. Sowohl SAP als auch Microsofts Lösungen haben schon genug zu tun, wenn es nur um die Wiederverwendung der Daten in der eigenen Plattform geht. Spätestens applikationsübergreifend muss individuell entwickelt werden. Es sind Fragen zu Lizenzen, Schnittstellen und oft auch zum Thema Performance relevant. Ausnahmebeispiele sind FRANZ oder HOOZIN die zumindest ein Framework für diese Aufgabe liefern.
Auf Grund des Aufwands wird die Integration nicht oder nur unvollständig angegangen. Vielleicht bringt ein logisches Betriebssystem wie ein Enterprise OS eine Möglichkeit?
Interessanterweise kann man von moderneren Architekturen bei mobilen Endgeräten lernen. Auch hier ist ein monolithischer Ansatz mit den Feature-Phones (die Nicht-Smartphones) gescheitert. Es sind aber Konzepte zur Integration geblieben: Eine Plattform für die unterschiedlichen Apps bereitzustellen. Dazu gehört neben den technischen Basisdiensten die Navigation der Anwender zu den Apps, das Verzeichnis der möglichen Apps (App Store), die übergreifende Suche, einige geteilte Daten wie z.B. die Kontakte auf dem Telefon und ein Umgebung die das Management von Benachrichtigungen erlaubt. Damit steckt ein handelsübliches Smartphone den Digital Workplace eines Unternehmens schon mal in die Tasche.
Im Unternehmen gibt es zig App Stores mit jeweils einem Teilangebot. Eine übergreifende Navigation ist Mangelware – eine Chance für den Digital Workplace. Dabei lassen sich gerade Navigation und zumindest logische App Stores, personalisierte Launchpads usw. mit überschaubarem Aufwand herstellen. Betrachtet man den Aufwand, der für das Customizing der Lösungen investiert wird, wäre ein übergreifender Header (entspricht dem Konzept des Home Buttons) auch möglich.
Im Desktop-Kontext fehlt das Benachrichtigungscenter. Die Benachrichtigungen werden stattdessen durch E-Mails gelöst. Das ist zumindest ein gemeinsamer Nenner – überfordert aber die Mailboxen vieler Anwender. Vielleicht wäre es spannend neben Regeln zum Postfach aufräumen auch hier mal anzusetzen und aus der Inbox einen Stream zu generieren?
Kommunikation findet sowohl im Smartphone als auch in der Unternehmenswelt in den jeweiligen Silos der Anwendungen statt. Aber über die Teilen-Funktion kann zumindest am Smartphone Inhalt von einer App an eine andere weitergegeben werden. Das ist analog durch copy & paste im Desktopbereich möglich. Die übergreifende Suche/Enterprise Search bleibt allerdings aufwändig.
Gemeinsame Stammdaten sind erst recht schwierig. Wie oft haben wir schon digitale Formulare gesehen, in denen ein angemeldeter Anwender seinen Namen schreiben muss? Wenigstens das Profil, Attribute zum Vorgesetzten usw. sollten freie Stammdaten sein oder zumindest intelligent bezogen werden. Bisher scheitert es aber oft schon an gemeinsamen Stammdaten oder der intelligenten Nutzung von Bekanntem.
Dennoch bietet die logische Betrachtung einen Rahmen für die Informationsarchitektur. Ausgehend davon lässt sich zumindest ein Rahmen für die Integration schaffen- d.h. Navigation und idealerweise Notification kann gemeinsam gelöst werden. Ein erster Schritt kann jedenfalls gemacht werden.